Premiumlinsen bei trockenen Augen – geht das? Die Entscheidung für eine Premiumlinse – sei es eine Multifokallinse oder eine EDOF-Linse (Extended Depth of Focus) – ist oft ein bedeutender Schritt hin zu mehr Lebensqualität und Brillenunabhängigkeit. Doch nicht alle Patienten profitieren im gleichen Maß davon. Eine häufig übersehene, aber entscheidende Rolle spielt die Meibomdrüsendysfunktion (MDD), eine der Hauptursachen für trockene Augen.
Multifokal & EDOF – hohe Ansprüche an die optische Oberfläche
Premiumlinsen bieten Patienten im Idealfall ein brillenfreies Sehen in mehreren Entfernungen. Das gelingt durch komplexe optische Designs, die mehrere Brennpunkte oder eine gestreckte Tiefenschärfe erzeugen. Damit dieses feine Zusammenspiel funktioniert, braucht es aber eines: eine stabile, klare Tränenfilmoberfläche.
Schon leichte Unregelmäßigkeiten durch einen instabilen Tränenfilm – verursacht durch eine MDD – können die Qualität der Abbildung beeinträchtigen. Bei schweren Formen der Meibomdrüsendysfunktion ist die Sehqualität mit Premiumlinsen oft nicht zufriedenstellend.
Wie die Meibomdrüsen den Tränenfilm beeinflussen
Die Meibom-Drüsen im Lidrand produzieren Lipide (Fette), die für die Stabilität der Tränenoberfläche entscheidend sind. Bei einer MDD ist dieser Fettanteil vermindert oder von schlechter Qualität – die Folge:
– Der Tränenfilm reißt schneller auf
– Es entstehen mikroskopisch kleine Unregelmäßigkeiten auf der Hornhaut
– Licht wird gestreut – ein besonders kritischer Punkt bei diffraktiven oder asphärischen Linsendesigns
Symptome, die durch MDD nach Linsenimplantation verstärkt werden können
Viele Patienten mit MDD berichten nach einer Implantation von Premiumlinsen über:
– Glare und Halos
– Schwankende Sehschärfe, besonders abends
– Unzufriedenheit trotz medizinisch korrektem Linsensitz
– Das Gefühl, „nie richtig scharf“ zu sehen – trotz objektiv gutem postoperativen Ergebnis
Relative Kontraindikation bei schweren Fällen
Bei schwerer Meibomdrüsendysfunktion oder chronischen trockenen Augen sollte der Einsatz von Premiumlinsen – vor allem Multifokallinsen – kritisch hinterfragt werden. In diesen Fällen kann der Wunsch nach Brillenfreiheit mit einer spürbaren Einschränkung der subjektiven Sehqualität einhergehen.
Hier sprechen wir von einer relativen Kontraindikation – das heißt: Es ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber mit erhöhtem Risiko für postoperative Unzufriedenheit verbunden.
EDOF-Linsen „toleranter“, aber nicht immer ideal
Im Vergleich zu klassischen Multifokallinsen gelten EDOF-Linsen als optisch robuster und weniger anfällig für Streulichtprobleme. Dennoch: Auch EDOF-Linsen profitieren stark von einer homogenen, klaren Tränenfilmoberfläche. Bei ausgeprägter MDD kann auch hier die Leistung limitiert sein.
Wie wir in unserer Praxis mit Premiumlinsen bei trockenen Augen umgehen
In unserer Praxis legen wir großen Wert auf eine gründliche präoperative Diagnostik des Tränenfilms und der Lidfunktion – insbesondere bei Patienten, die Premiumlinsen wünschen.
Unser Vorgehen:
1. Meibographie und Tränenfilm-Analyse: Um die Qualität und Stabilität des Tränenfilms objektiv zu messen.
2. Therapie vor OP: Bei auffälligen Befunden wird zuerst die MDD behandelt, z. B. durch Wärmebehandlungen und Lidrandhygiene zu Hause, IPL oder medikamentöse Maßnahmen.
3. Erneute Beurteilung: Erst nach erfolgreicher Stabilisierung entscheiden wir gemeinsam mit dem Patienten, ob eine Premiumlinse sinnvoll ist.
Dies sind unsere bewährten Maßnahmen zur Optimierung des Tränenfilms vor einer Linsenimplantation:
1. Wärmeanwendungen & Lidrandpflege
⇒ Verflüssigung und Abfluss von Meibom-Drüsensekret
2. Tränenersatzmittel mit Lipidkomponente
⇒ Stabilisierung der Lipidschicht des Tränenfilms
3. Omega-3-Fettsäuren
⇒ Verbesserung der Sekretqualität der Meibomdrüsen
4. IPL-Therapie (Intense Pulsed Light)
⇒ Entzündungshemmung und Öffnung verstopfter Meibom-Drüsen
5. LipiFlow® oder andere thermische Pulsbehandlungen
⇒ Tiefenwirksame Reinigung der Meibom-Drüsen
6. Antientzündliche Therapie bei Bedarf
⇒ Kontrolle einer stillen chronischen Entzündung
7. Optimierung der Umgebungsfaktoren
⇒ Reduktion externer Trigger
Bei Premiumlinsen-Beratungen integrieren wir immer eine Tränenfilmanalyse. Bei auffälligen Befunden erfolgt zuerst eine gezielte Vorbehandlung über mindestens 4–6 Woche*, bevor die endgültige Entscheidung zur Linsenauswahl fällt.
Individuelle Abwägung ist entscheidend
Premiumlinsen können eine hervorragende Lösung sein – aber nicht für jeden Patienten. Bei trockenen Augen durch MDD ist eine sorgfältige Diagnostik und Therapie im Vorfeld unerlässlich. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Vorteile der Linsentechnologie auch wirklich zum Tragen kommen.
In schweren Fällen empfehlen wir bewusst eine monofokale Linse mit guter optischer Performance – ergänzt durch gezielte Behandlung der MDD und gegebenenfalls eine Brille für den Nahbereich. Denn: Sehqualität geht vor Brillenfreiheit.